Gustav Frenssen: »Peter Moors Fahrt nach Südwest«
1906 veröffentlichte der deutsche Schriftsteller Gustav Frenssen sein Buch »Peter Moors Fahrt nach Südwest«. Was wie der reale Erlebnisbericht eines Soldaten des »Seebataillons« aus Kiel während des Herero-Krieges 1904 im sogenannten »Schutzgebiet« Deutsch-Südwest-Afrika aussieht, aufgezeichnet von einem Autor in der Heimat nach der Rückkehr des Kriegsteilnehmers, ist in Wirklichkeit Fiktion.
Fiktion, die allerdings auf den tatsächlichen Erlebnissen mehrerer Kriegsteilnehmer beruht, vom Generalarzt bis zum einfachen Soldaten. Das Buch wurde zu einem Bestseller mit einer Auflage von über 100.000 verkauften Exemplaren.
Gustav Frenssen (1863-1945), anfangs ein typischer Nationalkonservativer seiner Zeit, der in der Kaiserzeit als Autor höchst populär war und sogar für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen wurde, machte in den Jahren nach 1933 unrühmliche Karriere, unter anderem als Funktionär der Reichsschriftumskammer der NS-Diktatur.
Trotz aller politischen Verirrungen im letzten Drittel seines Lebens ist Frenssens Buch ein höchst lesenswertes Dokument der Zeitgeschichte des Kolonialismus des Deutschen Kaiserreichs.
Vollständige editierte Neuausgabe des Originals von 1906, mit ergänzenden Texten, Abbildungen, Karten und Anmerkungen.
Peter Moors Fahrt nach Südwest kann insofern also auch heute noch als eine sehr eindrückliche Schilderung des grausamen Krieges in Südwest-Afrika gelesen werden. Liest man das Buch kritisch, kommt das kaiserlich-deutsche Militär dabei nicht allzu gut weg - die Idee, mit ein paar hundert Soldaten gegen eine feindliche Streitmacht mit fünfstelliger Zahl zu kämpfen, kann schon als etwas größenwahnsinnig bezeichnet werden, und hat dann ja auch entsprechende Verluste zur Folge gehabt.
Der Krieg der deutschen Kolonialmacht und ihrer einheimischen Verbündeten gegen das Volk der Hereros wird heute, völlig zu recht, als Völkermord angesehen, denn aus dem Versuch, einen Aufstand niederzuschlagen, wurde die Absicht, ein ganzes Volk samt Frauen und Kindern in die Wüste zu treiben und dort verhungern und verdursten zu lassen. Bemerkenswert ist, und auch das macht die Lektüre von Peter Moors Fahrt nach Südwest so interessant, dabei der Umstand, daß diese historische Schlussfolgerung und moralische Bewertung schon 1906 beim Erscheinen des Buches eigentlich zwingend war, denn Frenssen lässt seine Hauptfigur »Peter Moor« genau dies erleben und auch mitmachen: die Ermordung der einheimischen Bevölkerung in dieser deutschen Kolonie.
Ebenso bemerkenswert sind auch einige Dialoge zwischen den erfundenen Figuren mit ihren realen Vorbildern, die darum gehen, ob es mit der christlichen Überzeugung und dem christlichen Verständnis von Brüderlichkeit vereinbar sei, andere Menschen zu Sklaven zu machen. Frenssens Buch ist eine Abenteuergeschichte, keine politische oder gar moralisch-ethische Abhandlung, aber wer das Buch liest, wird mit all diesen Fragen direkt und unverblümt konfrontiert. Und das war 1906 beim Erscheinen des Buches schon genauso, wie es heute bei der Lektüre ist.